„Dogmen“

2022, Schwartzsche Villa, Berlin (solo)Digitaldrucke auf Textil, Zeichnungen, besprühte Pflanzen, Türen aus DDR-Plattenbauten, Betonzaun, gebrauchter Zaun / Digital prints on textile, drawings, sprayed plants, doors from GDR panel buildings, concrete fence, used fence Fotos: Ludger Paffrath

„… Neustes Forschungsprojekt von Andrea Pichl ist das „Behelfsheim“, welches 1943 vom „Reichskommissar für den sozialen Wohnungsbau“ u.a. beim ehemaligen Bauhausschüler von Walther Gropius Ernst Neufert mit dem Ziel in Auftrag gegeben wurde, „Luftkriegsbetroffenen“, die Möglichkeit zu geben, aus vorhandenen Werkstoffen Behelfsheime in Selbsthilfe bauen zu lassen. Es waren einfache Miniatur-Eigenheime, frei stehend auf einem Grundstück, die in dieser Zeit nach strengen Regeln gebaut werden durften. Erst in den 1950er-Jahren wurde der anfängliche Verzicht auf gestalterische Maßnahmen erweitert, heute spricht man vom „wachsenden Haus“ in Privatgestaltung. Auf diese heutige Privatgestaltung richtet Pichl in der Schwartzschen Villa ihr Augenmerk. Ihre Installation greift die Gestaltungsformen heutiger Bewohner*innen der „Behelfsheime“, in Wilhelmshaven, Ost- und Westberlin auf und schafft einen eigenen künstlerisch-installativen Raum. In den Ausstellungsräumen der Schwartzschen Villa ist diese oft anarchische Gestaltung der Eigenheime durch die Bewohner*innen auf bedruckten Tüchern in ihrer Installation verarbeitet. Andrea Pichl kombiniert dabei eigene Fotografien, die ihre Beobachtungen zum „Behelfsheim“ festhalten mit Fotografien aus einer Behelfsheim-Fiebel. Auch ein Teppich mit dem Grundriss eines Behelfsheimes sowie Plattenbautüren sind in die künstlerische Installation Pichls integriert und verdeutlichen damit die Verbindung zwischen den normierten Wohnkonzepten. Zusätzlich zeigt Andrea Pichl in der Schwartzschen Villa erstmalig ein größeres Konvolut ihrer Zeichnungsserie mit dem Titel Stasizentrale. Sie erstellte diese detailgetreuen Zeichnungen der Inneneinrichtung nach ihren eigenen Fotografien in den Räumen der ehemaligen Stasizentrale in Berlin-Lichtenberg. Es sind dabei neben der Büroeinrichtung von Erich Mielke ebenfalls bauliche Details zu sehen, wie ein Paternoster, das Tagebett von Mielke, sein Büro mit einem gemusterten Teppich oder eine Sitzgruppe vor einer mit Holz getäfelten Wand. In der kleinen Galerie in der Schwartzschen Villa verdeutlicht Pichl mit ihren Zeichnungen die banale Gestaltung der Macht. Ferner arbeitet sie mit Dopplungen: Gezeichnete Vorhänge lässt sie auf Vorhänge drucken, sodass ein interessanter Entfremdungseffekt einsetzt. Ihr Ostberliner Hintergrund macht Andrea Pichl zu einer sensiblen Beobachterin übergeordneter gesellschaftlicher Transformationen in Ost- und Westberlin. Es sind unterschiedlichen Dogmen – also die Gestaltung der Macht vs. die Gestaltung des Profanen, die im Zentrum ihrer Ausstellung in der Schwartzschen Villa stehen und die sie mit Hilfe von Ironie freilegt. Andrea Pichl zeigt die Absurdität früherer ebenso wie gegenwärtiger Formen von Alltagsgestaltungen und zeigt dabei – ganz nach Pierre Bourdieu – die sozialen Nutzungsweisen in ihren feinen Unterschieden. …“ Christine Nippe

„… Andrea Pichl’s latest research project is the „Behelfsheim“ (makeshift home), which was commissioned in 1943 by the „Reich Commissioner for Social Housing“, among others, from the former Bauhaus student of Walther Gropius Ernst Neufert, with the aim of giving „people affected by the air war“ the opportunity to build makeshift homes in self-help from existing materials. These were simple miniature homes, free-standing on a plot of land, which could be built at that time according to strict rules. It was not until the 1950s that the initial abandonment of design measures was extended, and today one speaks of the „growing house“ in private design. In Schwartz’s villa, Pichl focuses her attention on this contemporary private design. Her installation takes up the design forms of today’s residents of the „makeshift homes“ in Wilhelmshaven, East and West Berlin and creates its own artistic-installative space. In the exhibition rooms of the Schwartz Villa, this often anarchic design of the homes by the residents is processed on printed cloths in her installation. Andrea Pichl combines her own photographs, which record her observations of the „makeshift home,“ with photographs from a makeshift home fiddle. A carpet with the floor plan of a makeshift home as well as prefabricated concrete slab doors are also integrated into Pichl’s artistic installation, thus illustrating the connection between the standardized housing concepts. In addition, Andrea Pichl is showing for the first time in the Schwartz Villa a larger volume of her drawing series entitled Stasizentrale. She created these detailed drawings of the interior design based on her own photographs in the rooms of the former Stasi headquarters in Berlin-Lichtenberg. In addition to Erich Mielke’s office furnishings, there are also structural details to be seen, such as a paternoster, Mielke’s day bed, his office with a patterned carpet, or a seating area in front of a wood-paneled wall. In the small gallery in Schwartz’s villa, Pichl uses her drawings to illustrate the banal design of power. Furthermore, she works with doublings: She has drawn curtains printed on curtains, so that an interesting alienation effect sets in. Her East Berlin background makes Andrea Pichl a sensitive observer of overarching social transformations in East and West Berlin. It is different dogmas – i.e. the shaping of power vs. the shaping of the profane that are at the center of her exhibition in the Schwartzsche Villa and which she exposes with the help of irony. Andrea Pichl shows the absurdity of past as well as present forms of everyday design and in doing so – following Pierre Bourdieu – shows the social modes of use in their subtle differences. …“ Christine Nippe



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